Als wir noch ein ganz junger Verein waren, wusste eigentlich jeder, aus welcher Situation heraus dieser Verein gegründet wurde.
Im Lauf der letzten Jahre sind nun so viele Menschen hinzugekommen, die diese Geschichte, die damals sogar in der türkischen Presse veröffentlicht wurde, gar nicht kennen, dass wir uns überlegt haben, sie hier nun auch wieder zu veröffentlichen:
Wir lieben Tiere und unser Leben wurde immer durch unsere Tiere bereichert. Ganz bewusst lebten bei uns immer die „armen Socken“, die keiner wollte.
Einmal war es das Kaninchen „Bunny“, das sich ängstlich in der hintersten Ecke einer „Schaukiste“ in der Zoo-Abteilung von Karstadt zusammenkauerte, weil die anderen Kaninchen es mobbten.
Ein anderes Mal stellte jemand an der Pforte des Krankenhauses, in dem mein Mann arbeitete, einen völlig verdreckten Käfig mit drei Wellensittichen ab, drehte sich um und ging weg. Somit hatten
wir spontan drei weitere Familienmitglieder.
Oder aber die Nachbarin, die auf dem Spielplatz hinter dem Haus ein Kaninchen fand und so lange von unten hinaufrief, bis ich auf den Balkon ging. Sie meinte, ob das wohl unser Kaninchen sei. Nein, „Bunny“ saß zu meinen Füßen, aber o.k., bringen Sie es mal hoch.
Nach und nach wurden es immer mehr Kleintiere bei uns, aber wir hatten genügend Platz und so folgten nach und nach auch noch der erste, der zweite und der dritte Hund.
Unsere drei Söhne wurden ebenfalls von der Tierliebe geplagt (und werden es auch heute noch), aber auch von der Liebe zur Türkei.
Jedes Jahr verbrachten wir dort unseren Familienurlaub. Im Laufe vieler Jahre wurde die Türkei so etwas wie unsere zweite Heimat.
Als wir nach vielen Jahren Familienurlaub in der Türkei wieder einmal unseren Sommerurlaub planen wollten, waren mein Mann und ich dann doch verdutzt, als unsere Nachkommenschaft uns einer nach dem anderen mitteilte, dass sie keine Lust mehr auf Urlaub mit den Eltern hätten!
Mein Mann und ich schauten uns an und sagten – mehr als Drohung gedacht – „dann fahren wir eben alleine“. Und was antwortete unsere Nachkommenschaft? „O.k.!“ Damit hatten wir nun so gar nicht gerechnet. In mir kam Panik auf. Was würden die Bengel wohl alles anstellen, wenn sie allein zu Hause blieben? Aber Günter meinte nur: „Dann fahren wir aber schon früher und nicht erst in den Sommerferien.“
Nachdem dann alles durchdacht war, was passieren könnte und nicht sollte und sich eine Nachbarin bereit erklärte, bei der Brut zu bleiben und "den Laden zu schmeißen", buchten wir also im Mai 2005 unseren ersten Urlaub zu zweit.
Ich weiß nicht, ob wir es gewagt hätten, hätten wir geahnt, dass sich von diesem Zeitpunkt an unser gesamtes Leben verändern und nichts mehr so sein würde, wie es vor der Reise war.
Acht Tage wollten wir in einem kleinen Hotel in Kemer - erstmals ohne Kinderrutsche und Animation - verbringen. Ohne Kinder brauchten wir dieses „Zubehör“ ja auch nicht.
Denn eigentlich wollten wir nur in der Sonne liegen und entspannen – eigentlich …
So eine Reise in die Türkei ist manchmal wirklich stressig. Man muss zu völlig unchristlichen Zeiten zum Flughafen fahren, dann verspätet sich der Abflug, was einen schlussendlich auch viel später am Urlaubsort ankommen lässt oder aber das Hotel ist seinen Preis nicht wert.
Bei uns kam eigentlich alles zusammen. Das Zimmer war mehr eine Abstellkammer als ein Zimmer, warm duschen konnte man nur, wenn man als Erster von allen Hotelgästen unter der Dusche war. Sonst war das warme Wasser weg und eiskalt duschen ist so gar nicht mein Ding.
Das Essen war jeden Tag gleich: Auberginen mit Hack. Als wir und andere Hotelgäste sich am dritten Tag darüber beschwerten, gab es dann etwas anderes; nämlich Hack mit Auberginen.
Aber auch davon wollten wir uns nicht den Urlaub verderben lassen. Also gingen wir oftmals abends ins Städtchen zum Essen.
Am vierten Tag jedoch verscheuchte Petrus uns dann von der Sonnenliege und lenkte unser Leben in eine völlig andere Richtung. Denn es regnete in Strömen und es war auch tagsüber eiskalt.
Was sollten wir also machen? In unserer Abstellkammer den Regen abwarten? Das ging genau zwei Stunden lang. Dann waren wir der Meinung, dass wir die Wände unserer Kammer nun ausgiebig angestarrt hätten und überlegten, was man bei diesem Wetter tun könnte. Und so wuchs der Gedanke in mir, dass wir doch mal das Tierheim in Antalya ansehen könnten.
Dieser Gedanke war schon viele Jahre in mir und ich hatte ihn nur deshalb immer wieder verworfen, weil wir in einer ganz anderen Ecke der Türkei und viele Kilometer von Antalya entfernt mit den Söhnen unseren Urlaub verbracht hatten – insbesondere immer in den Sommerferien, wobei es dann in der Türkei immens heiß ist.
Aber der Gedanke an quengelnde Kinder im Dolmus, von denen eines zur Toilette wollte, das nächste Durst hatte und Nummer drei spucken musste, war dann doch ein wenig zu viel des Guten und so wurde diese Idee immer wieder weggeschoben.
Nun aber war die Situation eine andere und so machten wir uns zu Fuß auf den Weg zum Busbahnhof nach Kemer.
Am Otogar (Busbahnhof) in Kemer angekommen, fanden wir den Dolmus nach Antalya recht schnell. Die Fahrt dagegen dauerte fast zwei Stunden und als wir am Busbahnhof in Antalya ankamen, regnete es immer noch.
Nun mussten wir erst einmal die Adresse des Tierheims ausfindig machen. Wir suchten ein wenig und fanden ein Internetcafe. Wir fanden die Adresse und machten uns auf den Weg zu einem Taxistand. Hier versuchten wir, mit Händen und Füßen redend, dem Fahrer klarzumachen, wohin wir wollten. Keiner verstand uns, bis ein junger Mann auftauchte, der sowohl der deutschen als auch der türkischen Sprache mächtig war. Er übersetzte unserem Taxifahrer, wo wir hin wollten. Der nickte und fuhr kurze Zeit später los.
Hätten wir geahnt, was nun folgen würde, vielleicht wären wir postwendend mit dem nächsten Dolmus zurückgefahren, aber was ich mir nun mal in den Kopf setze, muss ich auch zu einem – vorzugsweise guten – Ende bringen.
Wir dummen Touristen dachten also, wir zeigen dem Taxifahrer die Adresse und er bringt uns dann zum Tierheim. Jaaa, so ähnlich war es dann auch, nur brachte er uns freudestrahlend zum Zoo und konnte gar nicht begreifen, warum wir uns nicht freuten, sondern immer wieder sagten, dass wir da nicht hin wollten.
Der gute Mann sprach kein Wort deutsch oder englisch und wir kein Wort türkisch. Mit Händen und Füßen versuchten wir ihm zu erklären, dass wir das Tierheim suchten. Er verstand uns nicht, bedeutete uns aber, wieder in das Taxi zu steigen und fuhr mit uns zurück zum Busbahnhof.
Hinter dem Busbahnhof war eine Art Taxizentrale. Zumindest standen dort viele Taxen herum, deren Fahrer unter einem Wellblechdach saßen, türkischen Tee tranken und quatschten. Ob wir hier wohl Glück hätten und jemand verstehen würde? Nein, es stellte sich heraus, dass niemand uns verstand.
Irgendwann griff einer der Taxifahrer nach seinem Handy, wählte eine Nummer, sprach einige Worte auf Türkisch und reichte mir das Telefon. Panisch schaute ich es an. Was, bitte, sollte ich mit dem Ding? Aber der Fahrer gab nicht auf und hielt es mir direkt ans Ohr. Vorsichtig sagte ich „hallo“ und vom anderen Ende hörte ich die Stimme einer Frau, die deutsch sprach und sagte: „Was für ein Problem hast du? Wie kann ich dir helfen?“
Mann, Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie begeistert ich war. Als ich mein Anliegen schilderte und mitteilte, dass uns der Taxifahrer zum Zoo gefahren hätte, lachte die Frau am anderen Ende und meinte, das wäre ja gar nicht so verkehrt gewesen; nur dass das Tierheim auf der anderen Seite des Zoos läge. Ich solle dem Taxifahrer das Telefon zurückgeben. Sie würde ihm erklären, wie er fahren müsse.
Gesagt, getan und schwups saßen wir wieder im Taxi. Wir fuhren recht lange. Erst über eine Art Hauptverkehrsstraße, dann bogen wir ab in eine kleinere Straße, deren Häuser schon ärmlicher aussahen. Nach einer Weile dann noch mal links abbiegen und dann ging es eine lange Zeit im Schritttempo durch einen Pinienwald, bis die Straße irgendwann mitten im Wald vor einem großen Rolltor endete.
Endlich hatten wird das Tierheim von Antalya gefunden!
Aus den Medien kannten wir - wie wohl jeder - die Bilder von südlichen Tierheimen. Aber was uns hier erwartete und die Gefühle, die uns überkamen, lassen sich kaum beschreiben.
Die Leute vom Tierheim waren unheimlich freundlich und zeigten uns alles: ca. 350 Hunde in 70 Zwingern und über 90 Katzen - gepflegt und versorgt von 3 Putzfrauen, der Tierheimleiterin und einem Tierarzt.
Es gab kaum Futter für die Tiere. Ein völlig ausgemergelte große Hündin, die 10 Welpen säugte, ernährte sich von Wasser und getrocknetem Weißbrot.
Die Putzfrauen mühten sich ab, die Zwinger zu reinigen. Aber wie soll man einen kleinen Zwinger mit 5 bis 6 Hunden sauber halten – ständig muss eines der Tiere, und es sieht wieder genauso aus wie vorher.
Als wir das Katzenhaus betraten, schlug uns ein lautes Miauen entgegen. Die Katzen streckten uns ihre Vorderpfoten durch die Gitter entgegen, nur um einmal angefasst zu werden.
Kleinste Katzenwelpen kletterten schreiend die Gittertüren hinauf, um an uns heranzukommen, wobei sie nicht genügend Kraft hatten, sich dort oben festzuhalten und wieder herunterfielen. Alles für eine kleine Berührung!
Die Tiere taten uns unendlich leid und uns liefen die Tränen über das Gesicht.
Als wir das Tierheim nach einigen Stunden wieder verließen, war uns klar, dass wir diese Bilder nie wieder vergessen können und etwas tun müssen.
Auch als die Sonne dann wieder schien, war an Urlaub nicht mehr zu denken. Unsere Gedanken kreisten nur noch darum, wie wir den Tieren im Tierheim Antalya helfen können.
Zurück in Deutschland fassten wir dann einen Entschluss: Wir gründen einen Tierschutzverein! Aber ein Verein braucht auch einen Namen und wie sollten wir uns nennen? Es stellte sich heraus, dass allein die Namensfindung schon nicht einfach war.
Als ich wieder einmal auf der Heimfahrt von der Arbeit darüber nachdachte, kam mir dann ein Gedanke: In der Türkei gibt es so viele sonnige Tage – nur keine sonnigen Tage für die Tiere – und so entstand der Name „Sunnydays for Animals”.
Einen Namen hatten nun, die Gründungsmitglieder waren ebenfalls schnell gefunden. Jetzt brauchten wir also eine Satzung.
Wenn man keine Ahnung vom Schreiben einer Satzung hat und auch keine Unsummen für die Beauftragung eines Fach-Menschen ausgeben möchte, der die Satzung schreibt, bleibt nur der Weg quer durchs Internet. Dort finden sich viele Satzungstexte, aber die müssen auch noch in die Form gebracht werden und das aussagen, was man selbst tun möchte. Es dauerte also eine ganze Weile, bis der Satzungstext so verfasst war, dass er den Finanzbehörden zwecks Absegnung vorgelegt werden konnte.
Im ersten Schritt dauerte es auch nicht lange, bis sich der zuständige Sachbearbeiter meldete und mitteilte, was noch weiter ausgefeilt werden müsse. Es war auch gar nicht so viel zu ändern und da es jetzt einen Ansprechpartner mit Faxnummer gab, wurde das überarbeitete Schriftgut zwecks nochmaliger Prüfung direkt dorthin gefaxt.
Dann tat sich gar nichts mehr!
Nach einigen Wochen dann ein vorsichtiger Anruf beim Finanzamt. Ob man uns wohl vergessen hätte …? Nein, hätte man nicht, aber gut Ding will Weile haben und wir sollten uns noch ein wenig gedulden.
Dann, zwei Tage später, die Antwort:
In § 1 muss Satz 2 raus. – Prima, das ist alles? Kein Problem. Nehmen wir Satz 2 raus und faxen es wieder hin. Kurze Zeit später die Antwort: „In § 1 fehlt Satz 2.“
Ich dachte, ich bin im falschen Film. Das war ja fast so, als wenn man 0 Euro irgendwohin überweisen soll.
Also schnell nach dem Hörer gegriffen und versucht, die Lage zu klären. Aber der Sachbearbeiter blieb bei seiner Meinung: In § 1 fehlt Satz 2! Also den Satz wieder an der richtigen Stelle eingesetzt und nochmals gefaxt.
Irgendwie habe ich die Antwort schon vorher geahnt, denn sie lautete: „In § 1 muss Satz 2 raus.“
So ging es eine ganze Weile hin und her und wir kamen keinen Deut weiter. Günter, mein lieber Göttergatte, meinte schon, ob wir das mit dem Verein nicht sein lassen sollten, wenn das alles so kompliziert sei. Schließlich könnten wir ja auch ein paar Euros privat spenden. Aber ich bin Sternzeichen Stier. Er stünde mir schlecht, wenn ich mich von einem (Finanz-) Beamten derart unterbuttern ließe und so sagte ich: „Nein! Wir ziehen das jetzt durch!“
Um weitere Unstimmigkeiten mit dem netten Herrn vom Amt zu vermeiden, wurde danach nur noch mit dessen Vorgesetzten kommuniziert und dann ging alles relativ schnell.
Wir bekamen das schriftliche o.k. vom Finanzamt. Die Satzung war – zumindest von den Finanzbehörden – anerkannt. Jetzt fehlte noch das Amtsgericht. Für die dortige Einreichung der Satzung war jedoch ein Notar erforderlich. Wir bekamen recht zügig einen Termin, unterzeichneten im Beisein des Notars alle erforderlichen Schriftstücke und dann hieß es wieder einmal warten. Die Finanzbehörden waren zwar mit der Satzung zufrieden, das Amtsgericht könnte uns aber noch einen Strich durch die Rechnung machen und dann ginge alles wieder von vorne los.
Entsprechend angespannt starrten wir in den nächsten Wochen täglich in den Briefkasten, bis in der ersten Januarwoche 2006 dann die Post vom Amtsgericht im Kasten lag. Wir trauten uns kaum, den Umschlag zu öffnen. Als wir es dann doch taten, trauten wir unseren Augen kaum, denn dort stand:
„Herzlichen Glückwunsch, Sie haben eine Waschmaschine gewonnen!“
Nein, Quatsch. Das stand natürlich nicht in dem Schreiben, aber wir fühlten uns so, als hätten wir einen großen Preis gewonnen, denn nun waren wir endlich und endgültig ein eingetragener Verein – mit allem, was dazugehört!
Endlich konnten wir „Grünlinge“ des Tierschutzes mit unserer Arbeit beginnen.
Immer wieder folgten auf harte auch gute Zeiten. Aber unser Leben ist seither nie mehr langweilig und wir erleben ständig kuriose Geschichten, bei denen es letztendlich immer heißt:
"Willkommen in meinem Leben!"
(Petra Schmidt)